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Deutschsanktmichael in der Geschichte

Zillasch im Wandel der Zeit - von Szilas - Sillas - Szivas - Sylhasch - Rauthendorf - Németszentmihály - Deutschsanktmichael - Sânmihaiu German

(Quellen: 1 - 6)

Die Lektüre des Romans „Der große Schwabenzug“ von Adam Müller-Guttenbrunn weckte 1974 mein Interesse an der Geschichte des Banats und meines Heimatortes Zillasch. Der Schulunterricht im kommunistischen Rumänien bot kaum Daten, Fakten und Hintergründe. Weiterführende Literatur sowie historische Quellen waren mir damals nicht zugänglich.
Weiter brachten mich jedoch das aufmerksame Zuhören und das neugierige Nachfragen innerhalb der Familie und des Bekanntenkreises. Drei Generationen Vorfahren haben mit ihrer Empathie sowie ihrem Wissen, ihren Erfahrungen und Erzählungen meine Kindheit und Jugend wesentlich geprägt.  Ein kaum  versiegender Quell waren die Geschichten, welche in der Schreinerei der Kollektive in Zillasch zum Besten gegeben wurden. Hier waren meine Großväter Bela Szanto und Dominik Wachter als Stellmachermeister und als Sattler tätig.
Nicht zu vergessen: die anregenden Gespräche, die ich mit Herrn Domherr Dr. Johann Heber führte, sei es um die gemeinsamen Familienwurzeln zu ergründen, oder aber um historische Gegebenheiten oder Literatur zu beleuchten.

Im Folgenden ordne ich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und dokumentarische Genauigkeit – Meilensteine nach meinem Wissen und so, wie diese mir aus Erzählungen in Erinnerung sind.

Mittelalter und Türkenherrschaft
Im Mittelalter gab es ein Dorf namens St. Michael mit einem Pfarrer Johann, der 1333-1334 in den päpstlichen Zehentlisten erwähnt wird. Die Kirche des Ortes lag vermutlich eher in der Gemarkung von Simjel. Das Schicksal dieser Ansiedlung ist unbekannt. Dies war die Zeit von Karl Robert von Anjou, der als ungarischer König während seiner Regentschaft einige Jahre Hof in der nahen Festung Temeswar hielt. Der Ursprung von Zillasch ist eher das Dorf Szilas aus dem 15. Jahrhundert, welches im 16. Jahrhundert im Besitz der Familie Hagymás de Berekszó war. Im Jahre 1610 gehörte das Dorf Janos Kéméndi. (Quellen:Dumitru Teicu - Geografia Ecleziastica a Banatului Medieval / Borovszky Samu - Magyarország vármegyéi és városai). 

Mein Urgroßvaler Ludwig Holz sprach von dem alten, nicht mehr existierenden Ort 'Silasch', und Pfarrer Heber ergänzte, dass 'Magyaren vor 500 Jahren den Ort besiedelten'.
In unserer Familie wird von einer Ortsansiedlung westlich des heutigen Dorfes gesprochen. Die Flure Alt- und Neu-Szillasch links der Alten Bega und an der Straße nach Bobda deuten jedoch auf zwei Ansiedlungen hin, welche heute nicht mehr existieren.

Die osmanischen  Eroberungszüge und die nachfolgende Türkenherrschaft (ab 1552) sorgten für politische Instabilität, Unterdrückung und Unsicherheit. Die ungarische Bevölkerung war geflohen, und 'Raze un Walache' bevölkerten das Land. Auch heute noch werden Serben umgangssprachlich 'Raze' (Raizen) und Rumänen 'Walache' (Walachen) genannt. 


18. Jahrhundert
1716
 vertreibt Prinz Eugen von Savoyen die Türken aus dem Banat. Der Ort ist urkundlich u. a. als 'Sillas', 'Szivas' nachgewiesen. Es muss ein düsterer Landstrich gewesen sein, welcher von 'Banditen und Räubern' bewohnt war. Pfarrer Heber sprach von Sträflingen und dann von einem  'unbewohnten Land'  ('Predium Sylhasch'), welches zu Freidorf gehörte. 
Nach dem Ende der Türkenherrschaft ist Szilas 1717 in den österreichischen Verzeichnissen als Ort mit 40 Häusern verzeichnet und auf einer Karte von 1761 als ein von Altggläubigen bewohntes Dorf. Später wird der Ort auf Grund der schlechten Bodenverhältnisse aufgegeben. Bereits die Josephinische Landaufnahme (1769-1772) zeigt das 'Predium Sylhasch', ein Weideland, welches verpachtet wurde.    

   

Sillas 1740

 

Szivas 1750, Homann Nachfolger Regni Hungariae Tabula Generalis

  

   

Szivas 1751, Robert de Vaugondy, Gilles Königreich Ungarn

 

Banat Josephinische Landaufnahme 1769-72, Predium Sylhasch

 

Deutschsanktmichael, Siegel 1808

19. Jahrhundert
1807 pachtet Johannes Nepomuk Graf von Rauth das Land und gründet 1808 den deutschen Ort 'Rauthendorf'. Hier siedelt er deutsche Familien aus donauschwäbischen Gemeinden des Banats an. Es sind bereits die Nachfahren in 2. und 3. Generation der ersten deutschen  Einwanderer des Banats. Neben Ackerbau und Viehzucht fördert der Pächter den Tabakanbau (siehe Siegel von 1808 mit 2 Tabakblättern). Bald verlor er jedoch sein Interesse auf Grund des geringen Ertrages.
1819 erhält der Ort den Namen 'Deutsch Szent Michaly',  der Ursprung des Namens 'Deutschsanktmichael'. Die Zeit ist geprägt von Not, Elend, Missernten, Überschwemmungen der Bega, Malaria, Sumpffieber, Cholera und anderen Plagen, so dass viele Bewohner versterben. 
Es kam zu einer erneuten Ansiedlung sowie zur Ortsvergrößerung und Strukturierung, die bis heute das Ortsbild prägt. 

Politisch hat sich Ungarn das Banat einverleibt, die Madjarisierung beginnt. 

20. Jahrhundert
Bevölkerungswachstum und die Zerstückelung des Feldbesitzes durch Vererbung bedrohen das soziale und wirtschaftliche Gleichgewicht des Dorfes, so dass etwa 20%  der Bewohner Ende des 19. und zu Beginn des neuen Jahrhunderts nach Amerika auswandern, um Geld zu verdienen zum Rückkauf von Land in der alten Heimat. Wenige kehrten zurück. 
1. Weltkrieg: über 100 Bewohner werden rekrutiert und einberufen, 34 sind gefallen oder vermisst. Die Wirren des Krieges führen dazu, dass das Banat an Rumänien fällt, dann unter serbischer Hoheit steht, kurzzeitig ohne Zuordnung ist, dann wieder zu Rumänien gehört und 1920 auf Basis des Vertrages von Trianon aufgeteilt wird. Deutschsanktmichael ist seit dann Teil des rumänischen Banats.  
1928  führt die Agrarreform zu einer Umverteilung eines geringen Teils des Feldes an
Kriegsopfer sowie an den Pfarrer und den Lehrer. 
Der 2. Weltkrieg sorgt für weitere 39 Vermisste und Gefallene aber auch für die nachhaltigste
Zersplitterung der bisherigen Dorfgemeinschaft.
Am 23.08.1944 wechselt Rumänien die Fronten und schlägt sich auf die Seite der Sowjetunion. Mit der näher rückenden Front fliehen Familien in das 'Deutsche Reich', kehren von dort mit westwärts vorrückender Front wieder zurück in die Banater Heimat oder bleiben in Österreich und oder in Deutschland oder verlassen Europa in Richtung Amerika.
1945 beginnt für die im Banat Verbliebenen die Deportation zur Zwangsarbeit in die Kohlengruben nach Russland. Mehr als 70 Zillascher arbeiten auf Grund ihrer deutschen Volkszugehörigkeit nach Ende des 2. Weltkrieges für fast 5 Jahre das ab, was sie nicht verbrochen haben, 9 Landsleute verlieren dabei ihr Leben.
1951: Anordnung durch die kommunistische Regierung der Zwangsverschleppung von 3 Familien in die Baragan Steppe zur Fronarbeit für 5 Jahre.
Die 1949 beschlossene Agrarreform führt zur endgültigen Enteignung der Bewohner und 1954 zur Kollektivisierung nach sowjetischem Vorbild.
1977 stößt man am Ortseingang aus Simjel kommend bei Bohrungen nach Erdöl auf Thermalquellen. 1985 eröffnen Dorfbewohnern eigeninitiativ ein Bad. Private Investoren pachten das Bad für 49 Jahre und bauen es nach der Wende 1989 zum Heil- und Kurbad aus.
Durch die instabil gewordenen sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen zur Zeit des Ceausescu Regimes entsteht insbesondere ab 1970 im Rahmen der Familienzusammenführung eine Auswanderungswelle der deutschen Bevölkerung des Banats in die Bundesrepublik Deutschland. Damit stellt sich binnen kürzester Zeit das ein, was bereits mit Ende des 2. Weltkrieges eingeläutet wurde: der Niedergang der donauschwäbischen Gemeinschaft im Ansiedlungsgebiet Banat.


21. Jahrhundert
Heute haben nur noch wenige Dorfbewohner deutsche Wurzeln. Das Dorf hat sein donauschwäbisches Gesicht verloren und ist ein rumänisches Dorf im Banat geworden. Dennoch hat es Deutschsanktmichael zu regionaler Bedeutung geschafft. Durch das Thermalbad, die Kurtätigkeiten und den Naherholungswert für Temeswar erlebt der Ort eine Renaissance hinsichtlich von Neubauten und Sanierungen von Häusern sowie der Ansiedlung von neuen Bewohnern. Bedauerlich, dass das Thermalbad mit Saisonbeginn 2014 geschlossen blieb. Doch bereits im Frühjahr 2015 wurden neue Bohrungen unternommen... im Juni 2015 wurde ber Betrieb wieder aufgenommen.

Das Leben geht weiter!

info@deutschsanktmichael.de

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